Artikel von Stefan Bäuchl

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Nachhaltigkeitsstrategie & ESG-Reporting: Stop the Clock für CFOs in Deutschland?

Spätestens mit dem Inkrafttreten der europäischen CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und der verpflichtenden ESG-Berichterstattung rückt das Thema Nachhaltigkeit und ESG auch in den Fokus der Finanzabteilungen. Für CFOs heißt das: strategisches Umdenken, neue Prozesse – und kluge Personalentscheidungen. Doch was bedeutet das konkret? Und welche Auswirkungen hat das sogenannte Omnibus-Paket, das derzeit für Aufschub sorgt?

INHALT

Nachhaltigkeit & ESG – mehr als nur Kennzahlen

Die Abkürzung ESG steht für Environmental, Social, Governance – und beschreibt die drei zentralen Themenfelder nachhaltiger Unternehmensführung. Doch ESG ist weit mehr als ein Berichtsstandard. Es prägt die Finanzierungsbedingungen von Unternehmen, beeinflusst Investitionsentscheidungen und wird zunehmend zum Kriterium bei der Bewertung von Unternehmensrisiken.

Eine durchdachte Nachhaltigkeitsstrategie umfasst daher weit mehr als das Sammeln und Auswerten von ESG-Daten. Sie erfordert die Integration von Umwelt- und Sozialzielen in die Finanzstrategie, die Investitionslogik und die Risikobewertung. Finanzabteilungen übernehmen dabei eine Schlüsselrolle: Sie stellen sicher, dass Nachhaltigkeit systematisch gesteuert und transparent ausgewiesen wird – und dass Reporting nicht zum Selbstzweck verkommt, sondern echten Mehrwert für das Unternehmen schafft.

Nachhaltigkeit muss in die Unternehmensstrategie – nicht nur ins Reporting

Nachhaltigkeit entwickelt sich vom Image-Thema zur Kernfrage der Unternehmenssteuerung. Unternehmen formulieren zunehmend ambitionierte ESG-Ziele – doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die Integration dieser Ziele in die Unternehmensstrategie steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen.

Nachhaltigkeitsaspekte werden häufig primär als Reporting-Thema behandelt – getrieben von regulatorischen Anforderungen wie der neuen EU-Richtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). Eine konsequente Verankerung in der finanziellen Steuerung, in Investitionsentscheidungen oder Risikomanagementstrukturen fehlt jedoch oft.

Gerade CFOs und Finance-Leaders stehen heute mehr denn je im Mittelpunkt dieser Transformation. Sie tragen die Verantwortung, Nachhaltigkeitsziele nicht nur zu dokumentieren, sondern auch in operative und strategische Steuerungssysteme zu integrieren. ESG gehört nicht nur in den Nachhaltigkeitsbericht – ESG gehört in die Unternehmensstrategie.

Neue Rollen, neue Anforderungen: ESG wird zur Frage der Ressourcen

Weiters wird klar: ESG-Themen greifen tief in die Steuerung, das Risikomanagement und die Berichterstattung ein. Entsprechend verändern sich auch die Anforderungen an Finanzteams. Gefragt sind:

  • ESG-Controller:innen mit Reporting- und Regulatorik-Kompetenz
  • Sustainability Analysts, die Datenquellen verstehen und bewerten können
  • Projektmanager:innen, die ESG-Prozesse über Abteilungsgrenzen hinweg koordinieren

CFOs stehen vor der Aufgabe, diese Kompetenzen entweder intern aufzubauen – oder gezielt extern zu besetzen. Der Wettbewerb um ESG-Talente ist bereits spürbar, insbesondere in regulierten Branchen wie Finanzdienstleistung, Industrie oder Life Sciences.

Das Omnibus 1-Paket: Verlängerte Fristen – aber kein Freifahrtschein

Im Februar 2025 hat die EU mit dem sogenannten Omnibus 1-Paket auf den massiven Vorbereitungsdruck vieler Unternehmen reagiert. Der “Stop-the-Clock”-Vorschlag: Die verpflichtende Anwendung einzelner ESRS-Standards soll um zwei Jahre verschoben werden. Das betrifft vor allem branchenspezifische Standards sowie Standards für nicht-europäische Unternehmen (Quelle: Europäische Kommission, 2025).

Was heißt das für deutsche Unternehmen konkret?

  • Die Grundpflicht zur ESG-Berichterstattung ab 2025 bleibt bestehen.
  • Aber: Einige spezifische Offenlegungspflichten können später angewendet werden.
  • Ziel des Pakets ist es, Unternehmen mehr Zeit zur Umsetzung zu geben – ohne das Gesamtziel der Transparenz aufzugeben.

Die Europäische Kommission reagiert damit auf die starke Kritik zahlreicher Wirtschaftsverbände und Unternehmen, die den engen Zeitplan und die hohen Anforderungen als schwer umsetzbar bewerteten. Das Paket ist Teil einer breiteren Initiative zur „Verschlankung“ europäischer Berichtspflichten unter dem Schlagwort „Reducing Reporting Burden“.

Wichtig: Der Aufschub sollte nicht als Einladung zum Abwarten verstanden werden. Im Gegenteil – gerade die gewonnenen Monate bieten CFOs und Finanzteams die Chance, Strukturen zu schaffen und passende Fachkräfte zu gewinnen.

Welche Unternehmen in Deutschland sind vom Aufschub betroffen?

Vorerst sind nur noch Unternehmen berichtspflichtig, die mehr als 1.000 Mitarbeitende beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro oder eine Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro aufweisen. Diese Anpassung der Schwellenwerte führt dazu, dass viele mittelständische Unternehmen, die zuvor unter die Berichtspflicht fielen, nun vorübergehend davon ausgenommen sind (Quelle: Rödl & Partner, 2025). 

Zudem wurde die Frist für die erstmalige Anwendung der CSRD-Berichtspflicht für Unternehmen, die nicht bereits unter die bisherigen Regelungen fielen, um zwei Jahre verschoben. Das bedeutet, dass betroffene Unternehmen nun erst für das Geschäftsjahr 2027 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen, der dann im Jahr 2028 veröffentlicht wird (Quelle: Terra Institute, 2025). 

Diese Änderungen sollen den administrativen Aufwand für Unternehmen reduzieren und ihnen mehr Zeit geben, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Dennoch bleibt es für CFOs und Finanzverantwortliche entscheidend, frühzeitig die notwendigen Strukturen und Prozesse zu implementieren, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Was der Aufschub für CFOs in Deutschland bedeutet

Für CFOs in Deutschland bietet das Omnibus-Paket eine strategische Vorbereitungsphase:

  • Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung greift wie geplant für große Unternehmen ab dem Berichtsjahr 2025, also mit Veröffentlichung im Jahr 2026.
  • Der Umfang der Anforderungen wird gestaffelt – doch die wesentlichen Kernelemente wie doppelte Wesentlichkeitsanalyse, Datenprüfung und Governance-Offenlegung gelten weiterhin.
  • Die Einbindung in bestehende Systeme der Finanzberichterstattung wird zur zentralen Aufgabe – und liegt in der Verantwortung der CFOs.

Für Finanzverantwortliche bedeutet der Aufschub vor allem eines: jetzt strategisch handeln. Die zusätzlichen Monate sollten gezielt genutzt werden, um:

  • Datenprozesse und Schnittstellen für ESG-Kennzahlen aufzubauen,
  • Governance-Strukturen und Verantwortlichkeiten zu klären
  • und vor allem: geeignetes Personal mit ESG-Kompetenz zu gewinnen oder Bestandspersonal weiterzubilden

Fazit: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Weichen zu stellen

Das Omnibus 1-Paket bietet vielen deutschen Unternehmen einen realen Zeitgewinn – nicht zum Aufschieben, sondern zum gezielten Vorbereiten.

Für CFOs bedeutet das: Nachhaltigkeit rückt aus rechtlicher Sicht weiter ins Zentrum der Finanzstrategie. Wer nicht nur regulatorische Konformität erreichen möchte, sondern die Nase vorne haben will, muss heute die richtigen Strukturen schaffen und Kompetenzen aufbauen.

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